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„Jetzt muss die Politik handeln!“

Krisen ohne Ende – Katastrophenschützer sehen sich an der Grenze ihrer Belastbarkeit

WÜRZBURG. Feuerwehren und Rettungsdienste sehen sich an der Grenze ihrer Belastbarkeit. „Die Corona-Pandemie, die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und andere Naturkatastrophen haben die Einsatzkräfte in den vergangenen Jahren immer stärker gefordert“, sagte der Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), Dirk Aschenbrenner am Mittwoch zum Abschluss der jährlichen Fachtagung der vfdb in Würzburg, an der fast 600 Experten teilnahmen. Mit der steigenden Belastung jedoch habe weder die Ausstattung der Einsatzkräfte Schritt gehalten, noch gebe es zukunftsweisende Konzepte. „Die Politik muss jetzt endlich handeln“, so Aschenbrenner. Neben einer operativ-taktischen Führungseinrichtung auf Bundesebene sei beispielsweise auch die Entwicklung eines staatlichen Krisenmanagements notwendig.

Unter dem Motto „Schutz, Rettung, Sicherheit – Gestärkt aus Katastrophen?“ hatten sich drei Tage lang Fachleute von Feuerwehren, Rettungsdiensten und aus der Forschung zu Katastrophenschutz in mehr als 50 Vorträgen und Diskussionsrunden mit aktuellen Fachthemen beschäftigt. „Es fehlt nicht an der Erkenntnis, dass der Bevölkerungsschutz in Deutschland modernisiert werden muss, sondern an der Umsetzung“, so der vfdb-Präsident weiter. Das sei auch eine der Erkenntnisse der Starkregen-Expertenkommission, die von der vfdb nach der Katastrophe im vergangenen Jahr ins Leben gerufen worden war. Wie der Leiter des Gremiums, Ulrich Cimolino, in einem der Vorträge berichtete, wurden inzwischen 15 Problempunkte, „Big Points“, ausgemacht, von denen viele nicht neu seien.

Neben Themen wie Naturkatastrophen gehörten auch verschiedene Projekte aus der zivilen Sicherheitsforschung zu den Programm-Schwerpunkten, die vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert werden. Dazu zählt das Projekt „BRAWA“, in dem es um einen verbesserten Brandschutz für Kulturgüter geht. Es soll beitragen, die Brandfrüherkennung zu verbessern und zugleich ein Konzept zu erarbeiten, nach dem Helfer vor Ort durch schnelles und qualifiziertes Eingreifen eine frühe Brandbekämpfung einleiten und größere Schäden verhindern können.

Ferner ging es um die Evaluierung und Weiterentwicklung der Sicherheitskonzepte für Eisenbahntunnel (SIKET). Berichtet wurde außerdem über das Projekt INSPIRE – „auf dem Weg von der Idee zum Praxisbetrieb“. Noch ein weiteres BMBF-gefördertes Projekt stand auf dem Programm – das A-DRZ/Deutsches Rettungsrobotik-Zentrum, das im vergangenen Jahr ein LivingLab eingeweiht hat. Hier werden mobile Robotersysteme für die zivile Gefahrenabwehr erforscht, entwickelt und getestet. Für eine dort eingerichtete TaskForce gab es in den vergangenen Monaten bereits mehrere Einsätze, so auch im Katastrophengebiet im Ahrtal. Die dortigen unterschiedlichen Erfahrungen und Beobachtungen wurden auch in einem Bericht zum vfdb-GeoHUB unter den Titel „Vom Drohnenflug bis zur digitalen Lagekarte“ dargestellt.

vfdb-Vizepräsidentin Dr. Anja Hofmann-Böllinghaus, die für die Programmgestaltung verantwortlich war, betonte zusammenfassend: „Die Antwort auf unser Tagungsmotto auf die Frage, ob wir gestärkt aus Katastrophen gehen, kann – wie sich in vielen Vorträgen erwies – leider nur sehr eingeschränkt mit einem Ja beantwortet werden.“ Jedoch sei es schon ein Gewinn, wenn das Problem inzwischen nicht nur erkannt sei, sondern auch von Seiten der Politik angepackt werde. „Der Zeitpunkt ist jetzt günstig. Und wir sollten nicht bis zur nächsten Katastrophe warten.“

Auszeichnungen für Wissenschaftler

Im Verlauf der Fachtagung wurden drei Wissenschaftler mit dem vfdb-Excellence Award für ihre herausragenden Leistungen im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr geehrt: Für 2022 wurden Dr. Marvin Michel aus Mülheim an der Ruhr und Denis Drosdzol aus Gelsenkirchen ausgezeichnet. Jürgen Winkler aus Waldbrunn erhielt den Excellence Award für 2021. Darüber hinaus wurde Dr. Gesine Hofinger mit der von der vfdb gestifteten Heinrich-Henne-Medaille ausgezeichnet, die für hervorragende wissenschaftliche, technische oder praktische Leistungen auf dem Gebiet des Brandschutzes vergeben wird.

INTERSCHUTZ 2022 vor dem Start

Einen Vorgeschmack auf die Weltleitmesse INTERSCHUTZ 2022, die vom 20. bis 25. Juni in Hannover stattfindet, vermittelte am Rande des Kongresses eine  Fachausstellung zahlreicher Firmen und Institutionen aus unterschiedlichen technischen Bereichen. Wie INTERSCHUTZ-Projektleiter Bernd Heinold mitteilte, werden in der niedersächsischen Landeshauptstadt mehr als 1.200 Firmen aus mehr als 50 Ländern ihre Dienstleistungen und Produkte vorstellen. Auch mehrere Weltneuheiten werden dort präsentiert. Darüber hinaus wird die gesamte ‚Blaulicht-Szene’ vertreten sein. „Ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm bietet ferner Spannung, Unterhaltung und interessante Trainingsmöglichkeiten. Ob Teilnehmer oder Besucher: Dabeisein lohnt sich, wenn es zum Beispiel bei den Firefit European Championships und der Holmatro Rescue Challenge um Ehre und Preise geht oder bei der S-Gard Safteytour Einsatzszenarien unter realitätsnahen Bedingungen live und hautnah trainiert werden.“ Die gesamte Branche, so Heinold weiter, warte schon mit Spannung auf dieses erste große Event nach langer Zwangspause. Die vfdb-Jahresfachtagung in Würzburg habe gezeigt, wie sehr sich die Menschen wieder auf persönlichen Informationsaustausch und auf Möglichkeiten zum Netzwerken in Präsenz freuen.

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